Psychotraumatologie

So bekannt und vertraut vielen FachkollegInnen inzwischen der Begriff Psychotraumatologie sein mag, so relativ neu ist dennoch dieses Fachgebiet in seiner multidisziplinären Ausformung, aber auch die Bezeichnung für dieses Gebiet selbst.

Gottfried Fischer und Peter Riedesser schreiben über die Vorgeschichte der Gründung ihres Instituts für Psychotraumatologie in Freiburg im Breisgau (Deutschland) im Mai 1991: "Seit einigen Jahren hatten wir, eine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen aus Psychologie, Medizin, Rechtswissenschaft und vor allem aus Psychoanalyse und Psychotherapie, uns Gedanken gemacht über die Notwendigkeit, psychische Traumata näher zu erforschen. ... Eher zufällig fanden wir dann einen Namen für das, womit wir uns in den praktischen Projekten, die wir damals schon betrieben, auch tatsächlich beschäftigten: eine interdisziplinär ausgerichtete Lehre von psychischen Verletzungen und ihren vielfältigen negativen Folgen für die davon Betroffenen. So entstand schliesslich die Bezeichnung Psychotraumatologie, ohne dass wir bewusst eine Wortneuprägung angestrebt hätten. Uns war dabei auch nicht klar, dass dieser Ausdruck bisher noch gar nicht eingeführt war." (Fischer G, Riedesser P, Lehrbuch der Psychotraumatologie, München Basel 1998)

Die Psychotraumatologie befasst sich interdisziplinär mit psychischen Traumata, deren Folgen und deren Behandlung.

Nachdem auch die Therapie posttraumatischer Belastungen lange Zeit schulenspezifisch ausgerichtet war, und es kaum Austausch zwischen den verschiedenen therapeutischen Schulen und Richtungen gab, greift heute immer mehr ein Therapiekonzept, das hilfreiche Vorgehensweisen aus verschiedenen psychotherapeutischen Ansätzen integriert. Auch die frühere Aufspaltung in medizinisch-psychiatrische und eher nichtmedizinisch-psychologisch orientierte therapeutische Orientierungen wird in der Traumatherapie mehr und mehr in Richtung einer Tendenz eines gemeinsamen Erfahrungsaustausches und einer Zusammenarbeit überwunden.

In den letzten Jahren sind neurophysiologische und neurobiologische Zusammenhänge vermehrt Gegenstand von Forschungen geworden. In der Behandlung von psychischen Traumatisierungen werden Ansätze entwickelt, in denen versucht wird, diesen neurophysiologischen und neurobiologischen Zusammenhängen Rechnung zu tragen.

In der Folge von psychischen Traumatisierungen können sich ausser der Posttraumatischen Belastungsstörung auch viele andere Störungen und Störungsbilder entwickeln, wie beispielsweise Angststörungen, dissoziative Störungen, psychosomatische Beschwerden, Suchtverhalten, Essstörungen oder Depressionen. PsychotherapeutInnen, die psychische Traumatisierungen behandeln wollen, benötigen daher neben einer fundierten psychotherapeutischen Ausbildung als Grundlage und neben einem fundierten Fachwissen auch einen breiten Erfahrungshintergrund und Sicherheit im gesamten Spektrum von psychischen Störungen, das schliesst Sicherheit in der Diagnosestellung mit ein.

Wir wissen heute, dass viele Menschen mit Belastungen durch psychische Traumatisierungen oft über Jahre Fehldiagnosen erhielten und dann unter Umständen auch falsch behandelt wurden.